• Zur Hauptnavigation springen
  • Skip to main content

Berliner Organisation Psychiatrie-Erfahrener und Psychiatrie-Betroffener

Berliner Landesorganisation des Bundesverbandes Psychiatrie Erfahrener BPE e.V.

  • Start
  • Aktuelles
  • Über uns
  • Anlaufstelle | Centro de atencion y asesoria
    • Bibliothek
    • Pandemiebedingte Maßnahmen
  • Selbsthilfe
  • Spenden
  • Archiv
    • Weltenwandel
    • Pressemitteilung zum PsychKG Entwurf
    • BGH zu Zwangsmaßnahmen
  • Ressourcen
  • Kontakt

Herausforderungen und Entwicklungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der UN-BRK

13. November 2021 von admin

Im Rahmen der Tagung „Selbstbestimmt teilhaben“, veranstaltet vom Gemeindepsychiatrischen Verbund Reinickendorf e. V. hat Jasna Russo für BOP&P e.V. am 4. November 2021 einen Impulsvortrag gehalten zum Thema:

Herausforderungen und Entwicklungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der UN-BRK


Hallo an alle,

zuerst möchte ich mich ganz herzlich für die Einladung bedanken und dafür, dass wir im heutigen Programm einen Platz bekommen haben. Dieser Dank geht insbesondere an Marion Locher von Träger gGmbH, die BOPP zu dieser Veranstaltung eingeladen hat. Vorgesehen für diesen kurzen Input waren zwei andere Personen von unserer Organisation. Da aufgrund eines Unfalls keine von ihnen kommen konnte, bin ich an dieser Stelle eingesprungen, um von der seltenen Gelegenheit Gebrauch zu machen, unsere Meinung zu diesen wichtigen Themen einzubringen.

Bevor ich das tue, möchte ich einige Infos über die Organisation geben, die ich heute vertrete. BOPP steht für Berliner Organisation Psychiatrie-Erfahrener und Psychiatrie-Betroffener, die bereits im 2003 im Rahmen der autonomen Bewegung von psychiatrisierten Menschen in Berlin gegründet wurde. Unter Psychiatrisierung verstehen wir Prozesse der Diagnostizierung und psychiatrischen Behandlung, die in gesellschaftlichen Machtstrukturen verankert sind und in Wechselwirkung mit sonstigen Ausgrenzungsmechanismen unsere Biographien prägen. BOPP arbeitet Diagnosen-unabhängig, wir unterstützen die Gründung von Selbsthilfegruppen und bieten darüber hinaus individuelle Beratung und in Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten auch Beratung zu rechtlichen Fragen an. Psychiatrieerfahrung betrachten wir als untrennbar verwoben mit sozialen, ökonomischen und politischen Strukturen unserer aller Leben und setzen uns daher für Gleichberechtigung und Grundfreiheiten in all diesen Bereichen ein.

2019 stand unser Verein kurz vor der Auflösung. Dieses Jahr kennzeichnete einen Umbruch und einen erheblichen personellen Wechsel sowohl bei den Mitgliedschaften als auch im Vorstand. Nach diesem Wechsel ist es uns gelungen, erstmalig eigene Räume zu beziehen und mit Hilfe eines Förderprogramms des Berliner Senats eine Anlaufstelle von und für Psychiatriebetroffene im Bezirk Schöneberg zu gründen. Ein Jahr später ist uns auch geglückt, eine kleine Honorarstelle im Umfang von 8 Stunden in der Woche einzurichten und vom Paritätischen Berlin finanziert zu bekommen. Die komplette sonstige Arbeit erfolgt ehrenamtlich. Diese Tatsache bringt uns direkt zum heutigen Thema bzw. der Frage unserer möglichen Mitwirkung an der Umsetzung der UN-BRK sowie an der Verwirklichung unserer Teilhaberechte.

Meinen Beitrag werde ich jedoch nur auf drei wesentliche Punkte begrenzen.

Wie viele von Ihnen vermutlich wissen, ist die UN-BRK entwickelt und verabschiedet worden in einer intensiven Zusammenarbeit mit denjenigen, um die es in diesem internationalen Abkommen geht. Viele Verbände, Organisationen und Einzelpersonen mit körperlichen und Sinnes-beeinträchtigungen sowie Menschen mit psychiatrischen Diagnosen haben daran mitgewirkt. In diesem Sinne ist die Erarbeitung der UN-Behindertenrechtkonvention samt den zahlreichen Konsultationen, die ihr vorausgegangen sind, auch ein wegweisendes Beispiel für politische Partizipation und kollaborative Entscheidungsprozesse, in denen das Erfahrungswissen von Betroffenen eine zentrale Rolle einnimmt. Die langjährigen Forderungen der autonomen Organisationen von Menschen mit Psychiatrieerfahrung wurden durch dieses Abkommen nicht nur anerkannt und legitimiert, sondern auch zu verpflichtenden Rechtsvorschriften. Hier meine ich vor allem Artikel 17 bzw. das Recht auf körperliche Unversehrtheit und den Schutz vor ungewollten Interventionen (Artikel 14, Absatz 1b). Die Post-Konventionszeit bzw. die Phase ihrer Ratifizierung und Implementierung ist jedoch charakterisiert von Bemühungen, psychiatrisierte Menschen doch auszusondern und die entsprechenden Bestimmungen der UN-BRK in unserem Fall zu relativieren, neu zu interpretieren oder einfach zu ignorieren. So werden bei den Aktionsplänen zur Umsetzung der BRK die Schwerpunkte auf unsere Inklusion und Teilhabe gesetzt während Gesetze, die Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung aufgrund von psychiatrischer Diagnose erlauben, weiterhin aufrechterhalten werden. Dieser Widerspruch ist das erste, worauf ich in diesem Zusammenhang aufmerksam machen muss – auch wenn ich das Risiko eingehe, als Spielverderber wahrgenommen zu werden. Die Tatsache, dass viele Psychiatriebetroffene von PsyKG und Betreuungsgesetz sowie den zahlreichen damit verbundenen Ungerechtigkeiten betroffen sind, wirft einen Schatten auf den aktuellen Harmonisierungs-Trend der überall deklarierten Inklusion, Entstigmatisierung, Selbstbestimmung und gesellschaftlichen Teilhabe von „psychisch Kranken“. Uns ist bewusst, dass die Zwangspsychiatrie eine lange Geschichte hat, die sich nicht einfach mit einem neuen Gesetzt transformieren lässt – umso wichtiger finden wir es, alle einzelnen Vorschriften der UN-BRK in Zusammenhang miteinander zu betrachten und an allen zu arbeiten, da sie sich nicht in Isolation voneinander verwirklichen lassen.

Die zweite Frage, auf die ich kurz eingehen möchte, ist die Frage der Mitwirkung unserer autonomen Verbände an der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Hierbei geht es nicht mehr um etwas optionales, was vom guten Willen der Entscheidungsträger abhängen soll, sondern um unser Recht. Der Artikel 4, Absatz 3, fordert ausdrücklich die Mitsprache von Betroffenen und ihren Organisationen bei allen Reformen, die für uns von Belang sind. Ein Beispiel dafür, wie das in der Praxis aussieht, ist die Einberufung des Berliner Teilhabebeirats. Von insgesamt 29 stimmberechtigten Plätzen in diesem Gremium sind drei vorgesehen worden für „Vertreter/innen der Menschen mit seelischen Behinderungen oder Menschen mit Psychiatrie-Erfahrungen oder ihrer Angehörigen“. Das heißt, nicht mal drei Plätze für Psychiatrieerfahrene sind abgesichert. Dazu kommt noch, dass diese drei Personen vom Landesbeirat für psychische Gesundheit benannt werden müssen. Konkret bedeutet das, dass wenn eine Organisation in einem Beirat nicht vertreten ist, sie automatisch keine Chance hat, in einem anderen vertreten zu werden. Wie unsere Selbstvertretungsorganisation versucht hat, einen Platz in diesen Gremien zu bekommen und wie uns das nicht gelang, das ist eine Geschichte für sich. Aber auch wenn uns das gelungen wäre, physisch in einem Gremium vertreten zu sein bedeutet auch noch lange nicht, sich informiert einbringen zu können und Gehör zu finden.

Und so komme ich zum dritten Punkt, den ich gerne andiskutieren möchte – nämlich die Frage, ob die Verwirklichung unserer Rechte, so wie die UN-BRK das vorsieht, einen weiteren Aufgabenbereich der Psychiatrie und Sozialpsychiatrie darstellt – oder ob es wesentlich breitere und vor allem nicht-psychiatrische Bündnisse braucht, um unsere gesellschaftliche Platzierung zu revidieren. Eine gesellschaftliche Teilhabe kann doch nicht auf individuelle, bürokratische Vereinbarungen reduziert werden, die unser Leben nach Bereichen aufteilen und uns in Bedarfsgruppen einstufen.

Zum Schluss möchte ich auf die Fragestellung zurückkommen, die uns zur Vorbereitung dieses Inputs gestellt wurde – nämlich die Förderungen der autonomen Selbsthilfe an das Hilfesystem in Hinblick auf die UN BRK und das Bundesteilhabegesetz. Unsere Hauptantwort ist, dass wir nicht in einem andauernden Dialog mit dem Hilfesystem gehalten werden möchten. Unsere Forderungen richten sich deshalb nicht an das Hilfesystem, sondern an diejenigen, die für seine Konzipierung, Weiterentwicklung, Finanzierung und Qualitätsüberprüfung zuständig sind. Wir fordern:
• erstens, die Absicherung von stimmberechtigten Plätzen an all den Orten wo über unser Leben entschieden wird,
• zweitens, einen transparenten und rechtzeitigen Informationsverlauf,
• und drittens, die Bereitstellung der notwendigen materiellen Ressourcen, so wie alle anderen Akteur*innen sie auch haben – damit wir Konsultationen in unseren Communities durchführen und unsere Meinung bilden und einbringen können.

Das, was wir eigentlich fordern, ist das Recht auf direkte politische Partizipation statt Handeln in unserem Namen und zu unserem Besten durch Bevormundung und chronischen Expertenmonolog.

Danke für das Zuhören.

als PDF

Kategorie: Aktuelles, Allgemein

© 2023 · Berliner Organisation Psychiatrie-Erfahrener und Psychiatrie-Betroffener

  • Impressum
  • Datenschutzerklärung
  • Kontakt